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29. September 2023

Apothekeninsolvenzen nehmen zu! Erste Alarmsignale erkennen und gegensteuern

Das tragische Schicksal einer Apothekerin, die ich leider viel zu spät kennengelernt habe und zuletzt noch begleiten durfte, veranlasst mich, diesen Bericht zu schreiben. Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie sich eine Zahlungsunfähigkeit entwickelt und was Sie dagegen tun können.

Apothekeninsolvenzen nehmen zu! Erste Alarmsignale erkennen und gegensteuern

In diesem Jahr kommt es nach meiner Einschätzung leider stark vermehrt zu Zahlungsproblemen bei Apotheken bis hin zur Zahlungsunfähigkeit. Einer der großen Apotheken-Großhändler hat eigenen Aussagen nach bereits knapp 40 Insolvenzen deutschlandweit von Apotheken in der Abwicklung. Das ist nur die Rückmeldung eines Großhändlers – und viele weitere Apotheken kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Diese Zahlen, die mir vorliegen, bestätigen auch die Sorgen der Apothekerschaft, die unlängst auch beim Protesttag am 14. Juni kundgetan wurden.

Schleichender Start

Solche Prozesse der finanziellen Schieflage beginnen oft langsam. Der Nettoverfügungsbetrag reicht nicht aus, um alle Darlehenstilgungen, die Steuern und die privaten Lebenshaltungskosten zu bedienen. Meist haben die Zahlungsprobleme derer, die heute in Schwierigkeiten stecken, schon vor Jahren angefangen. 2021 und 2022 hat die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Sondereinnahmen geholfen, die Probleme zumindest vorübergehend in den Griff zu bekommen. Aber in diesem Jahr sind diese Sondererträge weggefallen, die Personalkosten sind deutlich gestiegen, der Apothekenabschlag hat sich erhöht und die Inflation hat in allen Bereichen zugeschlagen.

Alarm-Phase 1: Das Girokonto rutscht ins Minus

Wenn Geld fehlt, zeigt sich das auf dem Girokonto. Unsere Empfehlung: Führen Sie Ihr Konto im Guthaben! Das spart Zinsen und Gebühren und trägt zur besseren Übersicht bei. Wenn das Guthaben dauerhaft weniger wird oder sich der Sollsaldo langsam nach oben bewegt, sollten Sie genauer hinschauen. Nicht selten sind es eben nicht einmalige Sonderposten, wie beispielsweise die Bezahlung von hochpreisigen Arzneimitteln, die dazu führen. Das wollen viele gerne glauben und die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt…

Alarm-Phase 2: Vorauskasse als Abwärtsspirale

Wenn es auf dem Konto knapp wird, besorgen sich viele Apothekerinnen und Apotheker vom Abrechnungszentrum eine „Vorauskasse“. Das ist bereits am 15. des laufenden Monats möglich. Was die meisten nicht bedenken: Sie erhöhen so die Verschuldung und holen sich einen Kredit. Die Kosten liegen in etwa bei 0,03 Prozent pro Tag. Das entspricht bezogen auf das gesamte Jahr 10,8 Prozent. Auch beim heutigen Zinsniveau ist das für eine dauerhafte Inanspruchnahme zu teuer. Aber abgesehen von den Kosten, legt sich so die Schlinge langsam um Ihren Hals. Wenn echte Liquiditätsprobleme bestehen, müssen Sie den Betrag jeden Monat abrufen, die abzurufende Summe steigt. Durch die Erhöhung der Verschuldung findet nicht selten ein Vermögensverzehr statt. Das ist dann der Fall, wenn die Verschuldung schneller steigt, als der Abbau der Verbindlichkeiten durch Tilgungen erfolgt.

Alarm-Phase 3: Rechnungen ungedeckt

Irgendwann ist es soweit, dass das Konto am Anschlag steht und die „Vorauskasse“ ist maximal ausgeschöpft. Die Großhandelslastschrift wird seitens der Bank nicht eingelöst. Geht diese „mangels Deckung“ zurück, sind alle alarmiert. Spätestens bei der zweiten Rückgabe der Lastschrift zeigt der Großhandel der Verrechnungsstelle an, dass die Auszahlung der Rezeptgelder nicht auf das Konto des Apothekers, sondern direkt an den Großhändler zu erfolgen hat. Hierzu ist er berechtigt, da auf allen Waren, die noch nicht bezahlt sind, der verlängerte Eigentumsvorbehalt des Großhandels lastet.

Alarm-Phase 4: Banken alarmiert

Jetzt ist es für eine Regelung der Verbindlichkeiten in vielen Fällen zu spät. Die Vorauskasse, die bisher dazu gedient hat, die Zahlungsengpässe auszugleichen, kann nicht mehr abgerufen werden. Es gibt jetzt keine vorzeitigen und direkten Auszahlungen mehr an den Apotheker. Das Geld wird am 15. des Monats direkt an den Großhandel bezahlt. Im ungünstigen Fall können jetzt die Gehälter nicht mehr bezahlt werden. Die Bank muss einspringen. Die jedoch will ein Sanierungskonzept sehen und ist häufig nicht bereit (weitere) Überziehungen zuzulassen. Es bleiben drei bis vier Wochen bis zur nächsten fälligen Zahlung des Wareneinkaufs (nach erfolgter Offenlegung des Eigentumsvorbehalts). In dieser Zeit muss, um die Insolvenz zu vermeiden, schnellstens eine Regelung erfolgen. Das ist bei den heutigen Bearbeitungszeiten der meisten Banken nicht möglich. Im negativen Fall hat die Bank noch nicht erkannt, in welcher Dimension Zahlungsschwierigkeiten bestehen und wird jetzt erst aufgeklärt. Oft wechseln dann die Zuständigkeiten innerhalb der Banken. Das führt zu weiteren Schnittstellen und Verzögerungen. Voraussetzung für eine weitere Kreditierung seitens Bank ist der Nachweis der Kapitaldienstfähigkeit und die Darlegung einer positiven Zukunftsprognose. Um ein Konzept zu erstellen, brauchen viele Sanierungsberater Wochen. Diese Zeit haben Sie zu dem geschilderten Zeitpunkt nicht mehr.

Alarm-Phase 5: Belieferung wird eingestellt

Alarm-Phase 5: Belieferung wird eingestellt

Wenn die Gelder der Verrechnungsstelle nicht ausreichen, um den laufenden Warenbezug zu bezahlen, dann wird in aller Regel die Belieferung eingestellt. Der vielleicht vorhandene Zweitlieferant wird dann in aller Regel auch nicht mehr beliefern und damit ist die Existenz des Apothekers zerstört. Die Apotheke muss schließen. Ist die Apotheke erst mal geschlossen, gibt es kaum noch Möglichkeiten, aus der Misere herauszukommen. Auch ein Verkauf der Apotheke ist dann deutlich erschwert oder gar nicht mehr möglich.

In allen Phasen: Inhaber unter großem Druck

Der mentale Stress des Apothekers nimmt in allen dargestellten Phasen immer mehr zu. Anstatt mit der Apotheke ist er damit beschäftigt, Zahlungsdispositionen zu machen, Finanz-Löcher zu stopfen und Gläubiger zu beruhigen. Die Verzweiflung wird von Tag zu Tag größer. Es fehlt der Gesamtüberblick über alle Zahlungsströme. Alle Gläubiger wollen ihr Geld. Die Bereitschaft, den Apotheker in den einzelnen Phasen zu unterstützen, ist gering. Es gibt nur eine Möglichkeit, dieses Szenario zu verhindern: Handeln Sie frühzeitig bei Zahlungsproblemen. Holen Sie sich Hilfe von erfahrenen Beratern. Am besten gleich in Phase 1, wenn die ersten Warnsignale spürbar sind!

Bleiben Sie handlungsfähig

Ich habe diesen Artikel nicht geschrieben, um Ihnen Angst zu machen, sondern um Sie wachzurütteln. Es gibt immer eine Lösung! Neben der Optimierung der betrieblichen Strukturen können auch Tilgungen gestreckt werden, Vermögenswerte veräußert werden, Teilforderungsverzichte verhandelt werden, oder Betroffene können auch die Apotheke veräußern und einen Neustart wagen. Auch eine geregelte Insolvenz kann eineLösung sein. Bestimmen Sie selbst den Kurs! „Es gibt keinen günstigen Wind für den, der nicht weiß, in welche Richtung er segeln will“ (Wilhelm I. von Oranien-Nassau). Gerne unterstützen wir Sie auch in schwierigen Zeiten!

Gerne unterstützen wir Sie auch in schwierigen Zeiten!